Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Es muss nicht, aber es lohnt sich
Vom 04.03.2025, aktualisiert am 07.03.2025, Kategorie: Webdesign

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ,
Bild von 00luvicecream auf Pixabay
Ab 28.06.2025 tritt das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Das heißt: eine gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit für Websites und Apps. Wie auf Zuruf mehren sich in den Sozialen Netzwerken Werbeanzeigen von Web-Agenturen, die Beute wittern und mit furchteinflößenden Drohszenarien Websitebetreiber verunsichern. Tatsächlich sind nur wenige Websitebetreiber davon betroffen.

Es geht um B2C

Zunächst richtet sich das Gesetz erstmal nur an den B2C-Bereich, also Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen (Business) und Privatpersonen (Customer). Das beinhaltet Online-Shops oder per Internet-Formular buchbare Dienstleistungen wie Kurse oder Workshops. Rein geschäftliche Unternehmenspräsentationen oder Arztpraxen fallen nicht in diese Kategorie.

Ausnahmen

Aber auch, wer einen Online-Shop betreibt, braucht nicht unbedingt gleich eine neue Website: Ausgenommen vom BFSG sind Kleinunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten oder einem Jahresumsatz beziehungsweise einer Bilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro. Es reicht allerdings, wenn ein Kriterium davon zutrifft, um eventuell doch unter das Gesetz zu fallen.

Zwischenfazit: Nur größere Unternehmen, die mit Ihrer Website interaktiv verkaufen sind vom BFSG betroffen. Alle anderen können ihre Website so belassen, wie sie ist. Aber wäre das schlau?

Trotzdem ist Barrierefreiheit eine gute Idee

Auch, wenn Ihr Unternehmen nicht unter das BFSG fällt, macht es Sinn, die Website möglichst barrierearm zu gestalten, denn man erschließt dadurch neue Kundenkreise. Und gerade für die gesundheitlilche Versorgung oder sozial engagierte gemeinnützige Vereine sollte es "Ehrensache" sein, niemanden vom Angebot auszuschließen.

Barrierefreiheit ist zudem kein Hexenwerk. Die wichtigsten Anforderung sind schnell erzählt:
  • Zoom auf +200% ohne inhaltlichen Verlust oder zweidimensionales Scrollen
  • Verknüpfung von Formularfeldern und Feldbezeichnungen (Label)
  • Nutzung des Alt- und Title-Attributes für Bilder und Links
  • Tab-Browsing wird unterstützt
  • Möglichkeit, umfangreiche globale Inhalte wie das Navigationsmenü zu überspringen, um direkt zum eigentlichen Inhalt zu gelangen
  • Farbkontrastverhältnis von 3:1, sofern mit den Gestaltungsvorgaben vereinbar. Andernfalls kann eine Kontrast-Version hinzugefügt werden.

Wie erfahre ich, ob meine Website barrierfrei ist?

Prüfung durch Betroffene

Das sicherste Feedback bekommt man wahrscheinlich von Nutzerinnen und Nutzern, die auf barrierefreies Webdesign angewiesen sind. Alles andere ist am Ende doch bloß Theorie. Sollten Sie Menschen mit Einschränkungen in Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis haben, scheuen Sie nicht, sie um Rat zu freuen. 

Selbst ausprobieren

Grundlegende Anforderungen können Sie zum Teil selbst testen.
  • Rufen Sie zunächst in Ihrem Browser Ihre Website-URL auf.
  • Zoom: Benutzen Sie die Zoom-Funktion Ihres Browsers und vergrößern Sie Ihre Website auf 200% oder drücken Sie alternativ die Taste Strg und dann sechsmal auf +. Wenn keine Inhalte überdeckt oder ausgeblendet werden und kein horizontaler Scrollbalken erscheint, ist das schon mal ein gutes Zeichen.
  • Formulare: Klicken Sie mit der Maus auf den Titel eines Formularfeldes. Zum Beispiel "Ihr Name". Wird das Feld daraufhin optisch hervorgehoben und der Cursor automatisch im Formularfeld  platziert, sind Feldname und Formularfeld korrekt miteinander verknüpft.
  • Tab-Browsing: Laden Sie die Seite neu und drücken Sie wiederholt die Tab-Taste. Dabei sollten anklickbaren Elemente optisch durch einen Rahmen hervorgehoben dargestellt werden.

Online Tools

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, zumindest einen groben Eindruck zu gewinnen, in welchem Maße die eigene Website barrierefrei ist. Allerdings sind automatisierte Tools kein Garant und ersetzen nicht das manuelle Prüfen. Auch ist nicht bei allen eindeutig ersichtlich, ob sie sich nach dem empfohlenen Standard WCAG 2.1 Level AA richten. Berücksichtigt werden bei meinen Empfehlungen nur kostenfreie Tools ohne Zugangsbeschränkung, Registrierungpflicht oder Limitierungen.

Google Page Speed Insights: Ein sehr zugängliches Tool ist das von Google bereitgestellte Page Speed Insights. Einfach Ihre URL einfügen und die Analyse abwarten. Außer Informationen über bestandene und nicht bestandene Prüfungen sowie zu manuell zu überprüfende Barrieren spuckt Google PSI auch Hinweise zur Seitenperformance und Suchmaschinenfreundlichkeit aus. Unter dem Namen Lighthouse ist Google PSI auch als Browser-Addon verfügbar. 

Page Speed Insights von BW  

AChecker: Ein leicht bedienbarer WCAG-Checker im etwas altbackenen Look. Gibt eine direkte Erfolgmeldung aus, weist überdies aber auch auf nicht eindeutig messbare, aber mögliche Probleme hin. Prüft leider nur bis Standard WCAG 2.0. statt 2.1..

Screenshot WCAG-Testtool AChecker

Browsertools, Addons, Extensions, Plugins

Entwicklertools. Zunächst sei erwähnt, dass die meisten Browser mit ihren vorinstallierten Entwicklertools von Haus aus einige Möglichkeiten zur Überprüfung der Barrierefreiheit einer Website mitbringen.  Edge und Chrome liefern bei der manuellen Untersuchung einzelner Elemente auf der Website Informationen zu Farbkontrast, Tastaturunterstützung und Beschriftungen, außerdem ist zur automatischen Prüfung Lighthouse integriert, was identisch ist mit dem bereits erwähnten Online-Tool Google Page Speed Insights. Firefox' Entwicklertools bietet zum Thema Barrierefreiheit einen eigenen Reiter, der sich zur besseren Auffindbarkeit auch direkt über das Kontextmenü ansteuern lässt. Unsinnigerweise ist die Überprüfung, die man sich dadurch erhofft, aber standardmäßig erstmal deaktiviert. Man muss erst auswählen, welche möglichen Barrieren überprüft werden sollen. Zur Verfügung stehen Nichts (default), Alle Probleme, Kontrast, Tastatur, Beschriftung. Und leider drängt sich diese Auswahl optisch nicht gerade auf und wird schnell übersehen. Warum nicht standardmäßig die Option Alle Probleme aktiv ist, verstehe wer will.

Die Entwicklertools richten sich – wie der Name vermuten lässt – hauptsächlich an Entwickler und sind daher wegen ihres hohen Funktionsumfangs für Laien nicht so einfach zu durchschauen. Besser wäre wohl ein Addon oder Plugin, welches intuitiv zu bedienen und leicht zu verstehen ist. Viele dieser Tools sind leider nur für einzelne Browser verfügbar oder spezialisieren sich auf bestimmte Barrieren wie Farbkontrast oder Überschriftenstruktur. Daher beschränke ich mich bis auf weiteres auf eine einzige Empfehlung, die sowohl für Chrome, Edge und Firefox erhältlich ist und alle wichtigen Aspekte bei der automatisierten Analyse auf Barrierefreiheit abdeckt.

WAVE Web Accessibility Evaluation Tools. Sobald man das Tool installiert hat, steht im Kontextmenü des Browsers eine neue Option zur Verfügung: WAVE this page. Einfach anklicken und los geht's. Die Antwort kommt blitzschnell und lässt kaum Wünsche offen. Zunächst gibt es eine grobe Übersicht über gefundene Fehler und eine schriftliche Zusammenfassung, wenn der Test erfolgreich bestanden wurde. Wer mehr wissen möchte, kann sich Details zu allen Ergebnissen anzeigen lassen oder nach bestimmten Kriterien filtern. Zur besseren Auffindbarkeit von möglichen Schwachstellen sind alle Elemente der Website grafisch gekennzeichnet und lassen sich über Sprungmarken identifizieren.

WAVE Screenshot Web Accessibility Evaluation Tools

Fazit: Barrierefreiheit ist gar nicht so schwer

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, habe ich für die Screenshots in diesem Blog-Artikel meine eigene Website als Testobjekt verwendet. Zu meiner freudigen Überraschung sind alle Tests einigermaßen erfolgreich verlaufen. Denn ich habe beim Erstellen der Website im Jahr 2024 noch gar nicht besonders auf Barrierefreiheit geachtet. Sie sehen also: Durch einen einigermaßen sauberen Code und eine sinnvolle Struktur erfüllt eine gut gemachte Websites "ab Werk" bereits viele Anforderungen an Barrierefreiheit.

Was bringt eine barrierefreie Website?

Mehr Traffic

Studien ergeben, dass barrierefreie Websites mehr Traffic erhalten können, weil sie eine breitere Zielgruppe ansprechen und von Suchmaschinen oft besser gerankt werden.

Verbesserte Nutzerfreundlichkeit für alle

Barrierefreiheit verbessert auch das Nutzererlebnis für Menschen ohne Einschränkungen. Eine für alle zugängliche Website ist von sich aus übersichtlicher und leichter zu bedienen. Das freut alle.

Image-Gewinn

Wer auf Barrierefreiheit achtet, erweist sich als sozial verantwortlich und verbessert damit das Image des Unternehmens. 

Testen Sie selbst

Ich möchte Sie gern ermunten, Ihre eigene Website einem schnellen Test auf Barreierefreiheit zu unterziehen. Zum Beispiel mit Google Page Speed Insights. Sollten Sie danach Zweifel an der Barrierefreiheit Ihrer Website haben, lade ich sie herzlichst zu einem kostenfreien Beratungsgespräch per Telefon ein. Eine barrierefreie Website ist aus vielen Gründen ein guter Move, auch wenn Ihr Unternehmen noch nicht vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen ist.

0511 96 91 477-1

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